Auf einem Regionalgruppentreffen des Rattenvereins erzählte
unsere Gruppenleiterin, Tanja Wendeling, daß sie einen Anruf von einer
Schauspielerin und Regisseurin erhalten hatte, die eine Ratte für Filmaufnahmen
sucht. Niemand aus unserer Gruppe hielt seine Ratten hierfür geeignet.
Ich sagte spontan, mit meiner Lisanne würde das evtl. gehen. Sie ist gegenüber
fremden Menschen nicht scheu, erkundet unbekannte Gegenden ohne Panik und kommt
auch auf Zuruf angelaufen. Außerdem ist sie es gewohnt, von mir mitgenommen
zu werden.
Nach
einiger Zeit rief Tanja mich wieder an, um einen Termin für die Filmaufnahmen
abzusprechen. Inzwischen war Lisanne jedoch akut erkrankt. Sie gab unentwegt
laute schnorchelnde und knatternde Geräusche von sich, auch wenn sie still
in ihrem Heuball lag. Der Tierarzt wußte nicht mehr weiter. Alle möglichen
Untersuchungen und Behandlungen verliefen negativ. Lisanne schnorchelte weiterhin
und die Geräusche gingen teilweise in Pfeiftöne über.
Unter diesen Umständen konnte ich die Kleine keinesfalls
dem Streß von Filmaufnahmen aussetzen und wollte deshalb absagen. Tanja
meinte, bei meinen 18 Ratten müßte doch wohl noch eine andere in
Frage kommen. Ich willigte dann ein, es mit den beiden jüngsten Böckchen
zu versuchen, obwohl ich dabei kein gutes Gefühl hatte, denn die verlassen
normalerweise ihre gewohnte Umgebung nur zum Tierarztbesuch und geraten dann
schon in helle Aufregung. Zum Glück besserte sich aber Lisannes Zustand
doch wieder, nachdem ich ihr einige Tage lang Echinacea-Saft für Kinder
und ACC100-Pulver verabreicht hatte. Diesen Tip erhielt ich von anderen Rattenhaltern
aus dem Internet. Lisi konnte die Rolle nun also doch übernehmen.
Die Aufnahmen sollten am 5. Juli 2001 stattfinden. Wir wurden
gegen 15.30 Uhr mit dem Auto abgeholt und nach Bremerhaven gefahren. Ausgerechnet
an diesem Tag war es fürchterlich heiß. Die Autofahrt war für
uns alle, aber besonders für die Ratte extrem. Zeitweise klappte die Kleine
Ober- und Unterlippe weit zurück und ich bekam schon angst, sie könnte
zusammenklappen. Endlich waren wir angekommen und konnten aus dem heißen
Auto aussteigen. Lisanne war auch gleich wieder munter schnüffelte neugierig
durch die Gegend.
Es wurde noch einmal kurz die Handlung des Films erzält:
Eine junge Frau fühlt sich durch das Fenster von einem Mann aus dem Hause
gegenüber beobachtet. Sie bildet sich ein, dass er heimlich in ihrer Wohnung
war, sie mit anonymen Telefonanrufen belästigt usw.. Dann findet sie vor
ihrer Wohnungstür ein Päckchen, dass sie in ihrem Flur öffnet.
Aus dem Karton springt eine Ratte und läuft in ihr Badezimmer. Nun traut
sie sich nicht mehr, aus ihrem Zimmer zu gehen, weil sie vor der Ratte Angst
hat. Sie glaubt, dass der fremde Mann die Ratte vor ihre Tür gestellt hat.
Nachdem sie dann von der Ratte gebissen wird, geht sie mit einem Messer bewaffnet
zum Nachbarhaus um den Mann aus dem Weg zu räumen. Dort erlebt sie jedoch
eine Überraschung: Der Fremde ist blind.
Aber
nun ging es endlich los. Die Kameras waren eingestellt. Wir ließen Lisanne
im Flur laufen, ich versteckte mich im Badezimmer, klapperte mit der Leckerli-schachtel
und rief Lisi her. Das klappte hervorragend und wurde gleich einige Male wiederholt
aufgenommen. Lisanne wurde immer wieder in den Karton gesteckt, dann durfte
sie herausklettern und über den Flur zu mir ins Bad laufen. Der Kameramann
krabbelte auf Knien mit einer Handkamera hinter ihr her. Bis dahin war es eigentlich
nur Probe für Lisi. Jetzt sollte die Szene richtig gedreht werden. Die
Schauspielerin öffnete den Karton, alle warteten darauf, daß Lisanne
herausspringen würde. Die blieb jedoch seelenruhig sitzen und sah sich
nur um, was für allgemeine Erheiterung sorgte. Tja, so ist das mit Tieren,
die machen nicht immer das, was man grad erwartet. Da muß eben nachher
einiges zusammen-geschnitten werden.
Anschließend
sollte Lisi kreuz und quer durch das Wohnzimmer laufen. Sie wählte dann
aber lieber den direkten Weg hinter das Bücherregal. Hinter dem sie auch
mit Leckerlis nicht mehr hervorzulocken war. Also musste das ganze Regal abgerückt
und Lisi herausgeangelt werden. Dasselbe wiederholte sich noch einige Male.
Irgendwann wurde es Lisanne zu bunt und sie hatte absolut keine Lust mehr, unsere
komischen Spiele mit dem Bücherregal mitzuspielen. Sie steuerte ihre kleine
Transportbox an, kletterte flugs hinein und wollte ihre Ruhe haben. Die bekam
sie nun auch, es waren ja mehr als genug Aufnahmen im Kasten und alle Filmleute
waren begeistert von Lisi. Besonders den Kameramann hatte sie verzaubert. Er
überlegte, ob er sich auch solch eine liebe Schmuseratz zulegen soll.
Auf der Rückfahrt waren die Temperaturen im Auto nicht
mehr so extrem und es war für Lisi daher ganz erträglich. Als wir
wieder zu Hause waren schmiß sie sich in ihre Heukugel und holte den ganzen
versäumten Schlaf erst einmal nach. Später verputzte sie munter einen
Teil ihrer Gage: eine schöne reife Banane.
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