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Aaron´s Zahn-OP

Aaron wurde irgendwann im Januar 2002 geboren und stammt aus einem größeren Notfall in Pforzheim. Die beschlagnahmten Ratten wurden quer durch Deutschland auf verschiedene Regionalgruppen mit Notfallratten-vermittlung verteilt. Aaron kam mit einigen anderen Ratten nach Bremen. Um die Vermittlungschancen zu erhöhen, wurde er mit ein paar anderen Böcken dann von Bremen nach Hannover gebracht. Dort fand sich jedoch auch niemand, der ihn adoptierte und so kam er Anfang März zurück nach Bremen.

Ich wollte eigentlich keine zusätzlichen Ratten mehr aufnehmen, aber schon, als ich ihn nur kurz durch das Käfiggitter sah, habe ich mich spontan umentschieden; ich weiß selbst nicht warum. Er hatte noch nicht einmal meine Lieblingsfellfarbe. Und im selben Augenblick konnte ich auch schon sagen, dass er Aaron heißen wird. Aaron sah aus wie ein 6wöchiges Rattenbaby und ich staunte, dass er schon 9 Wochen alt war.

Dann erfuhr ich, dass Aaron gerade einen eiternden Abszess am Mäulchen hatte. Er bekam seit geraumer Zeit Antibiotikum, aber es wollte nicht besser werden. Jeden Tag wurde ihm unter Schmerzen der Eiter ausgedrückt. Aaron soll dabei das ganze Haus zusammengeschrien haben. Da war es nicht verwunderlich, dass der Kleine sich unter keinen Umständen mehr in die Hand nehmen lassen wollte. Wenn man nicht höllisch aufpasste, war er einem im selben Augenblick wo man ihn geschnappt hatte, auch schon wieder entflutscht. Ich wundere mich eigentlich immer wieder darüber, dass die meisten Ratten in solch einem Fall nicht anfangen zu beißen. Es werden ihnen (notgedrungen) Schmerzen zugefügt, sie fürchten sich davor, aber sie wehren sich nicht. Das passt so rein gar nicht zu der überlieferten Meinung der Allgemeinheit über Ratten.

Bevor ich Aaron zu mir holte, wurde ihm unter Narkose der Abszess und auch ein kleines Stück des Kiefers entfernt. Der behandelnde Arzt vermutete eine Entzündung der Zahnwurzel des hintersten Backenzahnes. Aaron bekam anschließend noch 2 Wochen Antibiotikum und da ihm nun keine täglichen Schmerzen mehr zugefügt wurden, fasste er erstaunlich schnell Vertrauen und ließ sich schon kurze Zeit später von mir auch in der Hand halten. Aaron freute sich seines Lebens und sprang und flitzte beim Auslauf recht ausdauernd wie der Blitz durch die Gegend.

Die Entzündung schien besiegt, doch das OP-Loch in der Backe wollte nicht zuheilen. Ein paar Wochen später, entdeckte ich, dass etwas Spitzes und Hartes aus Aarons Loch in der Backe ragte. Ein Untersuchungstermin in der Tierklinik wurde vereinbart, denn das was da aus Aarons Backe wuchs, glich immer mehr einem Zahn. Am Untersuchungstag gab es dann gar keinen Zweifel mehr, es war ein Zahn. Die Tierärztin in der Klinik operierte Aaron noch am selben Abend mit Injektionsnarkose. Der Zahn wurde gezogen und es stellte sich heraus, dass es sich um den linken vorderen Schneidezahn handelte, der durch eine extreme Fehlstellung am hinteren Ende des Kiefers nach außen trat. Die Ärztin hoffte, dass die Wurzel mit herausgekommen war, weil ansonsten der Zahn mit Sicherheit ja wieder nachwachsen würde. In dem Fall blieb zu hoffen, dass er dann wenigstens an seinem vorgesehenen Platz hervorkäme.

Aaron erholte sich schnell von der Strapaze, fraß normal und lebte fröhlich in seinem kleinen Rudel als Anführer. Ja, und dann war der Zahn irgendwann wieder da. Natürlich hatte er sich wieder an der falschen Stelle durch das ehemalige OP-Loch in der Backe gebohrt. Es folgte erneut ein Termin in der Tierklinik. Die Ärztin hoffte, den Zahn mittels einer Kurznarkose (Inhalation) ziehen zu können. Das klappte jedoch nicht. Sie bekam ihn so nicht heraus und kürzte ihn deshalb nur. Ich sollte einen richtigen OP-Termin für morgens vereinbaren, wenn der Zahn wieder langgewachsen ist, und dann wollte sie ihn noch einmal ziehen und anschließend durch den Weg, den der Zahn genommen hatte hinterherbohren um dann am Ende die Zahnwurzel zerstören zu können. Auf meine Frage, ob es denn nicht so bleiben könnte und man den Zahn dann eben immer wieder kürzt, erhielt ich ein klares Nein als Antwort.

Nach meinem Urlaub war Aaron’s Zahn bereits wieder herausgewachsen. Ich zögerte es aber noch hinaus, einen OP-Termin festzulegen, bis der Säbelzahn im Bogen ein Stückchen höher wieder an die Backe stieß, denn eigentlich wollte ich nicht so gern, dass Aaron noch einmal operiert wird, aber die Ärztin hatte ja gesagt, es muss sein. Also brachte ich Aaron am 11.07.2002 morgens in die Klinik. Er wurde wieder mit Injektionsnarkose betäubt, weil das Operationsfeld ja am Mäulchen lag und deshalb keine Maskennarkose möglich war.

Mittags telefonierte ich mit der Ärztin. Sie sagte mir, dass sie den Zahn gezogen hätte, aber die Zahnwurzel nun doch wieder nicht zerstören konnte, da die so tief saß, dass sie auch mit dem Hinterherbohren nicht drankam. Sie sagte mir noch, Aaron ginge es gut, er würde aber nun wohl noch eine Weile schlafen. Ich sollte ihn dann gegen 16:00 Uhr abholen. Ich war erst einmal froh, dass Aaron es überstanden hatte und machte mir von da an auch keine Sorgen mehr um ihn.

Um 14:30 Uhr klingelte dann das Telefon und jemand aus der Tierklinik knallte mir ohne Umschweife an den Kopf „Ihre Ratte ist gerade eben verstorben“. Ich konnte zuerst gar nicht glauben, was ich da gehört habe. - Wieso??? Aaron hatte die OP doch überstanden und es ging ihm gut? - „Ja, das kommt bei Ratten manchmal vor. Er ist aus der Narkose nicht mehr erwacht. Wir haben ihm noch ein Anti-Narkosemittel gespritzt und alles versucht, aber leider haben wir ihn nicht zurückholen können.“ hörte ich noch. Ich holte Aaron nach Feierabend aus der Klinik ab. Da er noch warm war und auch keine Leichenstarre eintrat, hoffte ich, er wäre doch nicht wirklich tot und hielt ihn dann noch bis zum Abend auf dem Schoß, streichelte ihn und sprach mit ihm, aber Aaron ist natürlich nicht mehr aufgewacht und ich musste ihn am nächsten Tag im Garten begraben.

Dieser Schicksalsschlag hat mich sehr mitgenommen. Bevor ich künftig entscheide, dass eine Ratte operiert werden soll, wäge ich noch genauer und sorgfältiger die Dringlichkeit und den Nutzen dieser OP ab. Nur wenn die betreffende Ratte ohne Operation in Kürze sterben muss oder die Kastration eines Böckchens wegen unverhältnismäßiger Aggressivität gegen Artgenossen der letzte Ausweg wäre, werde ich mich dafür entscheiden. Denn jede Narkose ist und bleibt ein sehr hohes Risiko für Ratten, sie kann das Ende ihres Lebens bedeuten, dass darf man nie außer acht lassen.